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Rückbauplanung für Produktionssysteme

Juli 2018 Die Anforderungen an moderne Produktionssysteme sind sehr vielfältig und teilweise gegensätzlich. Sie sollen in der Lage sein, sich an schnell ändernde Produktportfolios anzupassen und neue/veränderte Produkte in hoher Qualität entsprechend den Kundenwünschen ohne Umbau zu erzeugen. Zudem sollen sie die Umwelt schonen und ressourceneffizient arbeiten. All dies soll kosteneffizient erfolgen, so dass die gefertigten Produkte für die Kunden möglichst kostengünstig sind. Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können, wird insbesondere in den Industrieländern ein mehr oder weniger radikaler Umbau der Produktionssysteme angegangen, der unter dem Begriff 4. Industrielle Revolution oder Industrie 4.0 diskutiert wird.

Hinter diesen Marketingbegriffen versteckt sich nicht weniger als die durchgehende Digitalisierung aller Wertschöpfungsketten einschließlich einer verstärkten datentechnischen Vernetzung der verschiedenen Phasen und Aktivitäten im Lebenszyklus von Produktionssystemen sowie eine Dezentralisierung von Steuerungsstrukturen unter Nutzung von selbststeuernden Industrie 4.0 Komponenten. In diesem Zusammenhang wurde bisher jedoch wenig betrachtet , dass nicht nur das Engineering und der Betrieb von Produktionssystemen von der verstärkten Digitalisierung profitieren können, sondern auch die Rückbauphase , in der das ganze Produktionssystem, funktionale Teile oder nur Materialien aus dem Produktionssystem einer Rückgewinnung zugeführt werden können.

Auch wenn der Rückbau von Produktionssystemen (im Gegensatz z.B. zu Solarkraftwerken und Haushaltselektronik) in den staatlichen Regulierungen bisher nicht berücksichtigt wurde, so wird sowohl in der von der EU angestrebten Kreislaufwirtschaft als auch im Rahmen der Industrie 4.0 diese Themenstellung angedacht. Zudem scheint die Industrie 4.0 Komponente mit der in ihr enthaltenen und sie informationstechnisch maßgeblich repräsentierenden Verwaltungsschale genau der Kandidat zu sein, der die für die Rückbauphase relevanten Informationen entlang des Lebenszyklus eines Produktionssystems aufnehmen kann.

Auf dieser Basis ergibt sich die Forschungsfrage, wie ein Rückbauplanungsprozess auf Basis einer durchgängigen Modellierung von Produktionssystemen und ihren Komponenten aussehen kann und welche Informationen mit Bezug zu einer Industrie 4.0 Komponente im Verlauf des Lebens eines Produktionssystems gesammelt werden sollten, um einen optimalen Rückbau und eine optimale Rückgewinnung zu ermöglichen.

Mit diesem Ziel ist am IAF ein Promotionsvorhaben erfolgreich abgeschlossen worden. Frau Dr.-Ing. Nicole Schmidt hat in Ihrer Promotionsschrift auf Basis einer umfassenden Literaturanalyse und Feldstudie das in der nachfolgenden Grafik dargestellte, modellbasierte und auf sieben Phasen zur Datengewinnung und Datennutzung basierende Vorgehen zur Rückbauplanung entwickelt.

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Bild 1: Planungsmethode zum Rückbau von Produktionssystemen

Dabei hat Frau Dr.-Ing. Nicole Schmidt den Entscheidungsraum, der bei der Rückbauplanung betrachtet werden muss, skizziert (siehe Bild 2). Dieser umfasst unter anderem die vom Rückbauplanungsprozess betroffenen Personengruppen wie Anlagenbesitzer, Systemintegrator und Komponentenlieferant sowie die Komplexität der zurückgewonnenen Objekte, die Methoden der Rückgewinnung und das Zielsystem, in das die rückgewonnenen Objekte integriert werden sollen.

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Bild 2: Entscheidungsraum der Rückbauplanung von Produktionssystemen

Zur datentechnischen Repräsentation der Rückbauplanungsmethode entwickelte Frau Dr.-Ing. Nicole Schmidt dazu eine Methode zur konsistente Modellierung des Produktionssystems über den gesamten Lebenszyklus sowie dessen Datenmodell, was unter anderem die Produktionssystemhierarchie, die Verbindungen zwischen Hierarchieobjekten, die verwendbaren Prozesse zum Lösen der Verbindungen zwischen den Objekten und die dafür notwendigen technischen Mittel umfasst. Das Datenmodell wurde in ihrer Arbeit auf das Datenaustauschformat AutomationML abgebildet (siehe Bild 3).

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Bild 3: Datenmodell für die Rückbauphase von Produktionssystemen sowie dessen Realisierung im Datenaustauschformat AutomationML

Die Ergebnisse der Dissertation sind zudem in verschiedensten nationalen und internationalen Veröffentlichungen publiziert worden.

Ansprechpartner: apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Arndt Lüder

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